Es ist eigentlich recht spannend zu beobachten, was sich in der Ernährungsbranche so tut. Immer wieder merke ich, dass viele Menschen Ernährung als etwas betrachten, dass schwarz oder weiß ist und die eine richtige Ernährungsweise anpreisen. Es ist dogmatisch. Vergessen wird dabei unsere Individualität.
Die eine Bewegung meint zum Beispiel, low carb und high fat seien das Um und Auf für jeden Menschen. Sie wissen beispielsweise um die Qualität der gesättigten Fettsäuren Bescheid und sind sich im Klaren darüber, dass diese eben nicht zu Herzerkrankungen führen. Und auch die Inuit, welche 90% ihrer Kalorien von Fett bekommen, würden wohl zustimmen. Sie sind im Übrigen fast völlig von Übergewicht und den typischen Volkskrankheiten verschont geblieben. Auch die Masai konsumieren sehr viel Fett (vor allem gesättigte Fettsäuren) und sind pumperl gesund. Die Franzosen, welche sehr viel gesättigte Fette konsumieren, leiden weltweit im Vergleich zu anderen Industriestaaten am wenigsten unter Herzerkrankungen.
Naja, und wenn man nun andere Bewegungen beobachtet wie beispielsweise jene der high carb Anhänger, hört man oft gegenteiliges. Man wird merken, dass hier sehr viel Kohlenhydrate konsumiert werden. Pflanzliche Proteinquellen wie Bohnen oder Kichererbsen liefern nämlich meist auch recht viele Kohlenhydrate. Und auch hier gibt es gute Argumente. Die Kitavans beispielsweise, welche 70% ihrer Kalorien von Kohlenhydraten bekommen und – wie die Inuit und Masai – in keinster Weise von Übergewicht oder modernen Erkrankungen betroffen sind. Auch in Panama oder Japan gibt es Stämme die ihren Kalorienbedarf durch eine Vielzahl an Kohlenhydraten decken. Und sie sind alle gesund.
Was stimmt also nun? Gibt es die eine richtige Ernährungsweise?
Beides würde ich sagen. Menschen können so oder so gesund leben. Seit Jahren wird uns erzählt, dass wir nur gesund leben können, wenn wir den einen oder anderen Makronährstoff (Kohlenhydrate, Fette, Proteine) reduzieren oder vermehrt essen. Es scheint fast so, als wäre bis dato noch nie jemand auf die Idee gekommen, dass wir alle einfach komplett unterschiedlich sind und JEDER von uns individuelle Bedürfnisse hat. Schon klar, es ist einfacher einer bestimmten Diät zu folgen oder genau diese zu vermitteln. Und in einer gestressten Welt hat man oft nicht die Zeit oder Muße sich mit seinen eigenen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Persönlich denke ich aber, dass sich hier unsere Denkweise verändern muss. Das ist übrigens auch der Grund warum Individualisten eben Individualisten heißt. Weil wir alle individuell sind.
Aber zurück zum Anfang. Grundsätzlich bin ich ein Fan einer guten Basis. Ob Veganer, Vegetarier oder Fleischesser. Wenn man mich fragt, dann könnten wir uns alle sogar auf einen gemeinsamen Nenner einigen: Pflanzen und Qualität. Immer mehr Menschen bezeichnen ihre Ernährungsweise als plant-based– auf Pflanzen basierend. Und das finde ich gut. Es sagt einfach nur aus: Hey, ich mag frische Lebensmittel und steh es mir auf Pflanzen. Gemüse, Obst, Nüsse, Saaten, Getreide, Hülsenfrüchte kommen allesamt von Pflanzen und sind wertvolle, nährstoffreiche Bestandteile einer ausgewogenen Ernährung – sofern man sie vorher nicht durch 500 Maschinen jagt und sie richtig und gut zubereitet. Naja und Qualität sollte sowieso an erster Stelle stehen. Im Bereich der Pflanzen sowie auch der tierischen Produkte. Stimmt diese gesunde Basis, dann kann man ganz gezielt den Feinschiff vornehmen.
Und genau im Rahmen dieses Feinschliffs, kann man auf die individuellen Bedürfnisse eingehen. Ich bin kein Fan einzelner Ernährungstrends oder -bewegungen die uns in eine Schublade stecken und mit reichlich Regeln behaftet sind, diktieren was denn nun gegessen werden darf und was nicht, panisch Kalorien zählen und mit dem Finger auf andere Bewegungen zeigen und diese abwerten oder, wie es in vielen Ernährungskursen der Fall ist, sie schlichtweg ignorieren. Und ja, das kommt in der Ernährungsbranche oft genug vor.
Warum sich nicht all das von den diversen Ernährungsweisen rauspicken, dass zu einem selbst passt und all das weg lassen, was einem nicht gut tut? Das ist dann die einzig wahre richtige Ernährungsweise … für einen selbst.
Der Feinschliff der “richtigen Ernährungsweise”
Dieser Feinschliff kann ganz unterschiedlich aussehen. Nun mag der eine aus ethischen Gründen auf Fleisch verzichten und ist sich im Klaren darüber wie er sonst an die wertvollen Nähstoffe für seinen Körper kommt und supplementiert nicht ausschließlich mit Gen-Soja. Eine andere Person legt beispielsweise ebenso auf Bio-Qualität Wert, isst gelegentlich Fleisch und fühlt sich pudelwohl ohne viel Getreide in der Ernährung. Und dann gibt es vielleicht auch noch die Menschen die aufgrund ihrer aktuellen Situation etwas mehr auf ihre Ernährungsweise achten müssen. Der Befall mit dem Pilz Candida in unserem Darm könnte beispielswiese bedeuten, dass eine Reduktion an Kohlenhydraten ein Muss ist. Jemand mit einer durchlässigen Darmschleimhaut könnte davon profitieren täglich Rinder- oder Hühnerbrühe zu trinken und zinkreiche Lebensmittel wie Austern zu konsumieren. Jemand der extrem gestresst ist und dem Burn-Out entgegenblickt, könnte davon profitieren die Kohlenhydrate zu jeder Mahlzeit einzubauen. Und dann gibt es vielleicht Menschen die Eier, Lektine oder Oxalate nicht gut vertragen. Was ich damit sagen will: Es gibt nicht wirklich ein richtig oder falsch. Es gibt nur ein: WAS TUT MIR GUT? Und nun wird sich der ein oder andere fragen: Alles schön und gut. Aber woher soll ich wissen was mir gut tut?! I hear you. Nicht jeder muss ein Profi auf dem Gebiet werden. Zugegeben, ein bisschen Eigeninitiative ist dann aber doch gefragt. In erster Linie mal im Bereich der eigenen Wahrnehmung. Auf den Körper und seine Signale zu hören ist das Um und Auf. Und für den Rest gibt es Menschen wir mich, die sich täglich leidenschaftlich mit diesen Themen beschäftigen, sich ein umfangreiches Wissen aufbauen, zusammenhängend denken und ihr Wissen gerne teilen.
Die Rolle unserer Gene
Und um das Ganze noch komplizierter zu machen, will ich euch ein paar Worte zu unseren Genen verraten. Das beweist nämlich nochmal mehr, dass es keinen einzigen Ansatz in dieser Ernährungswelt gibt, der auf uns alle gleichermaßen passt. Immer mehr tut sich in dieser Branche und Experten sagen uns voraus, dass wir künftig anhand unseres Genprofils genau erfahren werden, welcher Lebensstil sich für uns eignet, um mögliche Risiken an Krankheiten zu erkranken drastisch zu reduzieren.
Unsere Spucke enthält Alpha-Amylase. Das ist ein Verdauungsenzym welches Stärke abbaut. Das Level des besagten Enzyms ist abhängig von unserer Anzahl an Kopien des sogenannten AMY1 Gens. Menschen die immer schon sehr viel Stärke in ihrer Ernährung hatten, wie beispielsweise in Japan, tragen meist mehrere Kopien des Gens und haben somit auch mehr Alpha-Amylase in ihrem Speichel als Menschen von Kulturen die immer schon mehr auf Fett und Protein konzentriert waren. Die Produktion von Alpha-Amylase ist deshalb wichtig für uns, weil wir das Enzym brauchen um Stärke zu verarbeiten und entscheidet ob unser Blutzuckerspiegel nach dem Konsum auf Achterbahnfahrt geht oder eben nicht. Wenn Menschen mit einer niederen Produktion an Amylase, Stärke konsumieren, dann kommt es zu einem lang anhaltenden Blutzuckeranstieg. Besagte Menschen haben somit auch ein höheres Risiko an Übergewicht und Herzerkrankungen zu erkranken – vor allem wenn sie der typischen europäischen Ernährungsweise mit viel Kohlenhydraten folgen. Ernährungsweisen die sich auf Getreide, Hülsenfrüchten und Kartoffeln fokussieren, könnten in so einem Fall eher suboptimal sein. Wohingegen jemand mit reichlich Kopien des Gens AMY1 keine Probleme haben sollte. Spannend oder?
Während – zugegeben – das ganze Gen-Gequatsche ziemlich kompliziert und überfordernd sein kann, zeigt uns das dennoch auf, dass wir alle völlig unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen und umso mehr darauf hören sollten was uns persönlich guttut und was nicht. Und genau dann handelt es sich um die richtige Ernährungsweise … für einen selbst.